Stefanie Rütsche leitet im Turnverein Bazenheid das KiTu. Sie arbeitet in der Stiftung Sonnenhalde in Münchwilen, einem Wohnheim für Menschen mit einer schweren Mehrfachbehinderung.
Sie erzählt uns nachfolgend von einer speziellen Turnstunde, in der sie beide Welten miteinander verbinden konnte.
Hintergrundgedanken zum Projekt:
Ich arbeite in einer Institution für Menschen mit einer schweren Mehrfachbeeinträchtigung. In meiner Freizeit leite ich jede zweite Woche das Kinderturnen in Bazenheid. Als ich beim Arbeiten erzählte, dass ich danach KiTu leiten gehe, sagte ein Bewohner: „Ich auch!“. Darauf dachte ich mir, warum eigentlich nicht? Die Kinder könnten Menschen mit einer Behinderung kennen lernen und umgekehrt. Die Projektidee war geboren.
Unsere Vorbereitungen:
Die Kinder wurden in einer Turnstunde gefragt, ob sie Menschen mit einer Behinderung kennen lernen wollen. Die Kinder bejahten diese Frage.
Gemeinsam mit einem Bewohner und einer Bewohnerin der Institution Sonnenhalde überlegte ich mir, wie wir die Turnstunde gestalten wollen. Herr Vidale, der mit dem Sprachcomputer spricht, brachte einige Ideen mit ein. Hauptkriterium war, dass es Aktivitäten sein sollen, die gemeinsame Erlebnisse ermöglichen und für die beiden Bewohner barrierefrei sind.
Durchführung:
Gemeinsam mit Frau Meier und Herrn Vidale bereitete ich die Turnhalle vor. Um 16:45 Uhr begrüsste Herr Vidale die Kinder mit seinem Sprachcomputer: „Herzlich willkommen!“ Die Kinder trauten sich zuerst nur zögerlich in die Nähe. Die meisten von ihnen hatten noch nie direkten Kontakt zu Menschen mit einer Behinderung. Nachdem ich ihnen einige Fragen beantwortet hatte, stellten sich alle in den Kreis. Nach dem Begrüssungslied stellten die Kinder weitere Fragen direkt an Herrn Vidale und Frau Meier. Zudem hatten sie das Bedürfnis von ihren Osterferien zu erzählen. Ich sah, wie Herr Vidale und Frau Meier den Kindern interessiert zuhörten.
Anschliessend wärmten wir uns tanzend auf. Jeder auf seine Art und Weise.
Nun absolvierten die Kinder einen Slalom. Die einen wagten es sogar, den Rollstuhl zu schieben. Nach und nach wagten es die Kinder, den Betreuten im Rollstuhl schneller zwischen den Malstäben hindurch zu manövrieren. Andere schoben ihre Kollegen und Kolleginnen im Ballwagen durch den Slalom. Auch Frau Meier nahm im Ballwagen Platz. Sie schaukelte und klatschte in die Hände. Ihr schien es zu gefallen. Beim Büchsenwerfen und Kegeln schauten Herr Vidale und Frau Meier den Kindern zu und feuerten sie an. Ich liess dazu Musik laufen und sah, wie Frau Meier dazu tanzte. Zwischendurch kamen die Kinder zu mir und stellten mir Fragen zu Frau Meier und Vidale. „Wieso kann er nicht laufen?“, „Wie spricht er?“ „Wieso kann Frau Meier nicht sprechen?“ Ich beantwortete ihre Fragen mit dem Einverständnis der beiden Betroffenen und merkte, wie die Kinder so immer mehr Zugang zu den beiden Gästen erlangten.
Zum Abschluss bildeten wir erneut einen Kreis. Ich machte den Kindern das Angebot, dass Herr Vidale ihnen zeigt, wie er mit dem Sprachcomputer kommuniziert. So versammelten sie sich um Herrn Vidale. Gemeinsam mit ihm erklärte ich den interessierten Jungen den Sprachcomputer.
Nach dem Abschlussspiel und Abschlusslied verabschiedeten wir uns. Viele Kinder, die anfangs scheu waren, gingen zu Frau Meier und Herrn Vidale hin und verabschiedeten sich freundlich. Nach der Stunde fragte ich Herrn Vidale und Frau Meier, wie es ihnen gefallen habe. Herr Vidale hat es sehr gut gefallen und auch Frau Meier schaute mich mit einem breiten Lachen an und klatschte bejahend in die Hände.
Auch von der Hilfsleiterin Nina Brühlmann bekam ich ein positives Feedback auf die Turnstunde.
Für mich war es eine super Erfahrung! Vor allem das Verhalten von den Kindern, von anfänglich distanziertem sehr ängstlichen Auftreten bis am Schluss zu kleinen sehr aufgeschlossenen Gesten gegenüber den Menschen mit Behinderung. Eine sehr positive Entwicklung wie ich finde.
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